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Zur Auskunftsverweigerung im Datenschutzrecht

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig beschloss am 28.05.2021, dass gegenüber einer Datenschutzbehörde ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe, wenn deren Beantwortung die Gefahr einer eigenen strafgerichtlichen Verfolgung oder der von Angehörigen berge.

Muss sich ein Unternehmen selbst belasten?

Antragstellerin war ein Online-Versand für Kosmetikprodukte, Antragsgegner die Datenschutzbehörde. Die Antragstellerin betrieb u.a. auch E-Mail-Werbung. Aufgrund dessen gingen beim Antragsgegner ab dem Jahre 2019 sieben verschiedene Beschwerden ein. Die Beschwerden richteten sich dagegen, dass eine Kundenbeziehung zwischen Antragstellerin und Betroffenen nicht bestand und auch keine Einwilligung in die Datenverarbeitung vorlag. Der Antragsgegner ordnete aufgrund dessen die Erteilung von Auskünften zu fünf durchnummerierten Fragen bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten an. Für den Fall der nicht fristgemäßen Beantwortung drohte er ein Zwangsgeld an. Zudem wies der Antragsgegner auf das ggf. bestehende Auskunftsverweigerungsrecht nach § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG hin. Die Antragstellerin ließ daraufhin den Gegner wissen, dass keine Angaben dazu erfolgen würden, ob und wer personenbezogene Daten für Werbezwecke erhebe und auch keine Beantwortung der Fragen 2-5. Der Antragsgegner setze daher ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro fest. Die Antragstellerin ging dagegen per Anfechtungsklage vor, was die Vorinstanz ablehnte. Hiergegen legte die Antragstellerin Beschwerde ein.

Auskunftsverweigerung nur bei Gefahr einer Strafverfolgung

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig befand, die Zwangsgeldfestsetzung in Höhe von 600,00 € stehe dem Auskunftsverweigerungsrecht der Antragstellerin nicht entgegen. Zwar habe sich die Antragstellerin auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Allerdings sei nicht erkennbar, dass sie berechtigt gewesen sei, die Auskunft auf die Fragen 1, 2 und 4 zu verweigern. Die Auskunftsverweigerung müsse sich auf solche Fragen beziehen, deren Beantwortung die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung bergen. Ein generelles, umfassendes Schweigerecht gebe es nicht. Vielmehr müsse eine bestimmte „Gefahrenlage“ drohen. Dafür sei es notwendig, dass die Einleitung eines strafgerichtlichen Verfahrens oder eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens ernsthaft möglich erscheine.

Gefahr der Strafverfolgung muss sich aus Frageninhalt ergeben

Zudem müsse die Möglichkeit eines Strafverfahrens auf dem Auskunftsinhalt beruhen, so das Gericht weiter. Die Auskunft müsse Fragen zu Tatsachen betreffen, deren Beantwortung die Einleitung oder Aufrechterhaltung eines Strafverfahrens oder Owi-Verfahrens nach sich ziehen können. Hierunter fielen auch solche Tatsachen, die mittelbar einen entsprechenden Verdacht begründen oder stützen.

Verfahrenseinleitung erscheint grundsätzlich möglich

Das OVG entschied, im vorliegenden Fall sei die Einleitung eines solchen Verfahrens nach summarischen Prüfung zwar ernsthaft möglich. Es stehe die Vermutung einer nicht rechtmäßigen Verarbeitung personenbezogener Daten im Raum. Bei Verstößen gegen die rechtmäßige Datenverarbeitung seien in der DSGVO Geldbußen von bis zu 20 Millionen EUR oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % seines weltweit erzielten Jahresumsatzes vorgesehen. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin auch in verschiedenen Schreiben bereits darauf hingewiesen, dass der Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften im Raum stehe und bestimmte Verstöße mit einem Bußgeld geahndet werden können.

Keine Strafverfolgungsgefahr bei Fragen 1, 2 und 4

Allerdings konnte das Gericht nicht erkennen, dass eine solche Verfahrenseinleitung bei Auskunft auf die Fragen 1, 2 und 4 drohe. Dies ergebe sich jedenfalls nicht a priori aus der Beantwortung der Fragen. Diese zielten darauf ab aufzuklären, von welchen Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern Daten erhoben und für Werbezwecke verarbeitet werden (Frage 1), welche personenbezogenen Daten insoweit erhoben werden (Frage 2) und wie viele Personen betroffen seien (Frage 4). Allein die Beantwortung der Fragen lasse noch keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Datenverarbeitung erkennen. Die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung erfordere vielmehr das Hinzutreten weiterer Umstände, wie beispielsweise das Fehlen einer Einwilligung zur Datenverarbeitung.

Strafverfolgungsgefahr bei Fragen 3 und 5

Das OVG Schleswig befand aber hinsichtlich der Fragen 3 und 5 zugunsten der Antragstellerin. Denn diese zielten auf die Einholung solcher Auskünfte ab, die die Antragstellerin der Gefahr eines Verfahrens aussetzen. Aus der Beantwortung der Frage 3 (Frage nach technisch-organisatorischen Maßnahmen) könne sich unmittelbar ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 24 und Art. 32 DSGVO ergeben. Aus der Beantwortung von Frage 5 (Einhaltung der datenschutzrechtlichen Informationspflichten nach Art. 14 DSGVO) könne sich ein entsprechender Verstoß ergeben. Beides könne mit einer Geldbuße von bis zu 10 Millionen Euro oder bis zu 2 % des Jahresumsatzes des Unternehmens belegt werden.

Auskunftsverweigerung auch bei juristischen Personen

Aufgrund dessen sei bei Frage 3 und 5 entscheidend, ob sich die Antragstellerin mit Erfolg auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen könne. Diese Frage sei bislang offen und noch nicht durch die Rechtsprechung geklärt. Hierbei sei die besondere Schutzfunktion des § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG zu berücksichtigen. Sie trage dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit – niemand soll gezwungen werden, sich selbst anzuklagen – Rechnung. Dieser Grundsatz sei Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und berühre zugleich die Würde des Menschen. Inwieweit sich darauf auch juristische Personen wie die Antragstellerin berufen können, sei bislang fraglich. Es erscheine jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen, den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit (auch) aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleiten und somit auch juristischen Personen ein Recht zur Auskunftsverweigerung zuzubilligen.

Gründe sprechen zugunsten Antragstellerin

Das OVG entschied, aufgrund dieser offenen, teils grundlegenden verfassungsrechtlichen Fragen lasse sich die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Da bei Erzwingung einer Selbstbelastung bzw. Einsatz eines Beugemittels jedoch eine nicht rückgängig zu machende Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien und Grundsätze drohe, sei zugunsten der Antragstellerin zu entscheiden.

Oberverwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 28.05.2021, Az. 4 MB 14/21