Zu den Voraussetzungen und der Reichweite eines Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO
Das Oberlandesgericht Celle entschied am 15.12.2022, dass ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht zweckgebunden sei. Daher könne auch dann Auskunft über personenbezogene Daten verlangt werden, wenn damit nicht das Ziel verfolgt werde, die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu überprüfen.
Wann greift die Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO ein?
Kläger war der Versicherte einer privaten Krankenversicherung. Er wendete sich gegen diverse von der Beklagten seit 2012 vorgenommene Beitragserhöhungen. Der Kläger meinte, die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen seien unwirksam. Er beantragte daher per Stufenklage, die Beklagte zur Auskunft über die Höhe aller der Beitragsanpassungen seit 2012 zugrundeliegenden auslösenden Faktoren zu verurteilen, dafür geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen und nach Auskunftserteilung einen noch zu beziffernden Betrag an den Kläger zurückzuzahlen. Erstinstanzlich wurde die Klage abgewiesen, weswegen der Kläger in Berufung ging.
Unzulässige Stufenklage
Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass die erhobene Stufenklage unzulässig sei. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut sowie aus ihrer systematischen Stellung innerhalb der ZPO (§ 254 ZPO) werde deutlich, dass die Besonderheit der Stufenklage in der Zulassung eines unbestimmten Antrags liege. Daraus folge, dass die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel sei, um eine (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen. Die Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch stehe dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zweck diene, den Leistungsanspruch zu bestimmen. Vorliegend diene die Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dazu, dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung zu verschaffen. Der BGH (Urteil vom 02.03.2000, Az. III ZR 65/99) habe jedoch eine Stufenklage als unzulässig betrachtet, mit deren Hilfe der Kläger zunächst die Informationen in Erfahrung bringen will, die ihm die Prüfung eines gegen den Beklagten zustehenden Anspruchs erst ermögliche. Eine solche Konstellation liege auch im streitgegenständlichen Fall vor. Der Kläger wolle mit den begehrten Informationen zunächst nur in die Lage versetzt werden, die Voraussetzungen etwaiger weiterer Bereicherungsansprüche dem Grunde nach beurteilen zu können.
Umdeutung der Stufenklage
Allerdings könne die unzulässige Stufenklage in eine zulässige Klagehäufung umgedeutet werden, so das Gericht. Denn auch, wenn der Auskunftsanspruch nicht in erster Linie der Bezifferung des Leistungsanspruchs dient, könne dem Kläger gleichwohl auch unabhängig davon als Minus der Stufenklage ein isolierter Auskunftsanspruch zustehen.
Zulässige Auskunftsklage nach DSGVO
Das OLG befand die Auskunftsklage auch als begründet. Denn dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO zu. Nach Erwägungsgrund 63 Satz 1 der DSGVO diene das Auskunftsrecht dem Zweck, sich der Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Entscheidend für das Bestehen eines Auskunftsanspruchs sei daher, ob die von der Beklagten im Rahmen der Beitragsanpassungen dem Kläger zur Verfügung gestellten Nachträge zum Versicherungsschein Informationen nach diesen Kriterien enthalten.
Nachträge zum Versicherungsschein als personenbezogene Daten
Im vorliegenden Fall seien auch personenbezogene Daten als Gegenstand des Auskunftsanspruchs betroffen, so das Gericht weiter. Unter den Begriff der personenbezogenen Daten würden auch die in der Vergangenheit vom Versicherer an den Versicherungsnehmer anlässlich einer Beitragsanpassung übersandten Schreiben fallen. Diese haben den konkreten, zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zum Gegenstand und hätten diesen inhaltlich teilweise auch neu gestaltet. Ferner unterfallen auch die anlässlich der Beitragsanpassung übersandten Mitteilungsschreiben in ihrer Gesamtheit dem Begriff der personenbezogenen Daten.
Auskunftsanspruch bezieht sich auch auf vergangene Datenverarbeitungen
Das OLG Celle entschied, es stehe dem Auskunftsanspruch nicht entgegen, dass die DSGVO erst am 25. Mai 2018 in Kraft getreten sei und sich der Auskunftsanspruch auf frühere Informationen beziehe. In der DSGVO finde sich bereits keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung des Auskunftsanspruchs. Dies spreche für einen unbeschränkten Auskunftsanspruch auch im Hinblick auf solche Informationen, die vor Inkrafttreten erhoben und/oder gespeichert wurden. Darüber hinaus diene die Verordnung gemäß Art. 1 DSGVO dem Schutz der Grundrechte und der Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Ein solcher Schutz würde aber weitgehend leerlaufen, wenn er sich nur auf Informationen erstrecken würde, die nach dem 25. Mai 2018 erhoben werden. Hierfür spreche auch, dass die Vorgängerverordnung 95/46/EG mit Wirkung vom 25. Mai 2018 aufgehoben wurde und etwaige Auskunftsansprüche nicht mehr stützen könne. Ferner handele es sich jedenfalls beim Akt der Datenspeicherung um eine fortlaufende Datenverarbeitung, die auch über den 25. Mai 2018 hinaus andauert und damit spätestens ab diesem Zeitpunkt Art. 15 DSGVO unterfällt.
Keine Verjährung
Der Auskunftsanspruch sei auch nicht verjährt, meinte das Gericht. Ob eine Verjährung des Auskunftsanspruchs überhaupt möglich sei und nach welchen Vorschriften sich diese richtet, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn selbst wenn der Auskunftsanspruch selbstständig und unabhängig nach der allgemeinen Frist des § 195 BGB verjähren sollte, könne er nicht vor dem Hauptanspruch verjähren, dem er dient. Im vorliegenden Fall könne aber eine Verjährung sämtlicher Leistungsansprüche nicht festgestellt werden.
Weite Auslegung von Art. 15 DSGVO
Das OLG war der Ansicht, dass der Auskunftsanspruch inhaltlich auf die Übersendung einer Datenkopie gerichtet sei. Dabei beschränke sich der Anspruch jedoch nicht auf die Übermittlung von Informationen, die der jeweils betroffenen Person zusteht. Das Gericht schließe sich insoweit der in der Rechtsprechung und der Literatur vertretenen extensiven Auslegung von Art. 15 DSGVO an. Danach habe der Auskunftspflichtige die personenbezogenen Daten grundsätzlich in der Rohfassung zu übermitteln, in der sie bei ihm gespeichert sind. Denn Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO stelle insoweit eine eigenständige und unabhängige Anspruchsgrundlage dar. Hieraus folge zugleich, dass der Kläger auch eine Kopie von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein verlangen kann, wenn sie als solche bei der Beklagten gespeichert sind. Sollte beispielsweise der Inhalt eines Versicherungsscheins sowohl in Form des Versicherungsscheins als auch in Form der darin enthaltenen Informationen gespeichert sein, seien grundsätzlich beide Datensätze herauszugeben. Denn anderenfalls könne der Kläger die mit dem Auskunftsanspruch bezweckte Überprüfung einer ordnungsgemäßen Verarbeitung (aller) von der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten nicht sinnvoll ausüben.
Keine Aufbereitung erforderlich
Allerdings könne Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO kein Anspruch entnommen werden, die übermittelten Rohdaten zusätzlich aufzubereiten, damit diese von der betroffenen Person verwendet werden können, so das Gericht. Dies folge bereits aus der Zielrichtung des Auskunftsanspruchs. Der Berechtigte solle über die Verarbeitung der ihn betreffenden Daten informieren und ihm die Gelegenheit gegeben werden, die Verarbeitung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dieses Informationsbedürfnis könne aber nur erfüllt werden, wenn die Daten in der Gestalt übersendet werden, in der sie beim Auskunftspflichtigen auch gespeichert sind. Anders verhalte es sich lediglich dann, wenn der Auskunftsberechtigte nur durch eine entsprechende Aufbereitung den Inhalt der gespeicherten Informationen zur Kenntnis nehmen könne.
Revision zugelassen
Das Gericht ließ die Revision zu. Ob ein Auskunftsanspruch zweckgebunden ist oder unabhängig von der hiermit verbundenen Zielrichtung erhoben werden kann, werde in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt.
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 15.12.2022, Az. 8 U 165/22