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Löschungsanspruch aus DSGVO auch für juristische Personen

Das Landgericht Hamburg entschied am 11.12.2020, dass der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung auch für juristische Personen eröffnet sei. Dies gelte unter der Prämisse, dass sich die verarbeiteten Daten der juristischen Person in unmittelbarer oder mittelbarer Weise (auch) auf die hinter diesen stehenden natürlichen Personen beziehen.

Wann besteht ein Löschungsanspruch von Unternehmensdaten?
Kläger waren ein Nachhilfeinstitut (Kläger zu 1) und dessen Geschäftsführer (Kläger zu 2). Beklagte war ein privater Informationsdienst, der Wirtschaftsinformationen im Internet veröffentlichte. Die Beklagte sammelte gesetzliche Pflichtveröffentlichungen zu Unternehmen und natürlichen Personen aus allgemein zugänglichen Registern, wie dem Handelsregister, Insolvenzbekanntmachungen und dem elektronischen Bundesanzeiger. Sie nahm also keine eigenen Daten auf, sondern bereits verfügbare Daten aus den öffentlichen Registern. Auf ihrer Webseite konnten diese Informationen über eine Suchmaschinenfunktion sichtbar gemacht werden. Von der Klägerin waren insbesondere Name, Anschrift, Gewinn und Bilanzsumme der Jahre 2014 bis 2017 sowie Daten zum Jahresabschluss/Konzernabschluss veröffentlicht. Die Kläger sendeten der Beklagte einen Widerspruch mit Löschungsaufforderung gegen die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu. Dem kam die Beklagte nicht nach.

DSGVO auch auf juristische Personen anwendbar
Das Landgericht Hamburg entschied, die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sei auch auf juristische Personen wie die Klägerin zu 1) anwendbar. Zwar beziehe sich die DSGVO gemäß Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 grundsätzlich auf identifizierte oder identifizierbare natürliche Personen. Auch stelle Erwägungsgrund 14 der DSGVO ausdrücklich fest, dass die Verordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen gelte. Allerdings sei der Anwendungsbereich der DSGVO auch für juristische Personen eröffnet, wenn sich deren Informationen (auch) auf die dahinter stehenden natürlichen Personen bezögen. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn Informationen über die juristische Person gleichzeitig auch Aussagen über die für sie handelnden natürlichen Personen treffen oder die Verarbeitung der Informationen sich unmittelbar auf die natürlichen Personen auswirken. Dies sei vorliegend der Fall. Der Firmenname und der Geschäftssitz der Klägerin zu 1) beziehe sich auch auf den Geschäftsführer. Die Klägerin zu 1) führe in ihrem Firmennamen den Familiennamen des Geschäftsführers und ihr Geschäftssitz sei mit dessen Wohnanschrift identisch.

Berechtigtes Interesse der Beklagten an Datenverarbeitung
Der Klägerin zu 1) stehe jedoch gegen die Beklagte keinen Löschungsanspruch ihrer Daten aus Art. 17 DSGVO zu, so das Gericht. Denn die Datenverarbeitung sei nicht unrechtmäßig gewesen. Gemäß Art. 6 Abs.1 lit. f) DSGVO sei die Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich sei. Ein solches berechtigtes Interesse der Beklagten liege vor. Der Begriff sei weit zu verstehen. Hierzu zählten nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen (a.a.O.). Vorliegend sei es Ziel der Beklagten gewesen, finanzielle Kennzahlen und Zusammenhänge zwischen Unternehmen und natürlichen Personen aufzuzeigen. Für Kunden und potentielle Kunden sollen die Vertretung, der Geschäftssitz und die finanziellen Kennzahlen aus den zum Handels-, Insolvenzregister und Bundesanzeiger eingereichten Unterlagen und Bilanzen auffindbar gemacht werden. Ein weiteres Ziel bestehe darin, die Handlungsbevollmächtigten von Kapitalgesellschaften transparent im Kontext einer einzugehenden oder eingegangenen Geschäftsbeziehung darzustellen. Somit erhielten Kunden oder potentielle Kunden ein realistisches Bild, mit welchen Personen sie tatsächlich vertragliche Vereinbarung schließen oder zu schließen beabsichtigen. Zur Erreichung ihrer genannten Unternehmensziele sei es erforderlich, dass die Beklagte personenbezogene Daten verarbeitet.

Verarbeitete Daten waren bereits veröffentlicht
Das Landgericht befand, dass die weiterhin erforderliche Abwägung der berechtigten Interessen zugunsten der Beklagten ausfalle. Ihr Interesse überwiege dem Interesse der Klägerin zu 1) am Schutz ihrer verarbeiteten Daten. Dafür spreche, dass die Beklagte nur die Daten zusammengeführt habe, die ohnehin öffentlich zugänglich gewesen seien. Der Zweck der Veröffentlichung in öffentlichen Registern liege in der Schaffung von Transparenz und Sicherheit des Geschäftsverkehrs. Durch die Weiterverarbeitung der Daten durch die Beklagte werde der Zweck nicht verändert. Auch die Plattform der Beklagten schaffe Transparenz und Sicherheit des Geschäftsverkehrs. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass ausschließlich Daten, die der Sozialsphäre zuzuordnen seien, von der Datenverarbeitung betroffen sind. Ferner entstehe durch die Veröffentlichung keine über die bereits öffentlich zugänglichen Daten hinausgehende Aussagekraft. Vielmehr ermögliche sie eine vereinfachte Informationsgewinnung und schafft damit eine erhebliche Arbeitserleichterung bei Recherchen über Unternehmen und die dahinterstehenden natürlichen Personen. Auch könne sich die Klägerin zu 1) nicht gegen diese Pflichtveröffentlichungen wehren. Sofern sie eine derartige Pflichtveröffentlichung nicht wünsche, hätte sie eine andere Gesellschaftsform wählen können, die nicht den strengen Registerpflichten unterliegen. Mit der Wahl ihrer Gesellschaftsform müsse die Klägerin zu 1) die Nachteile der Informationsoffenlegung hinnehmen.

Unternehmensform bringt Veröffentlichung von Namen der Geschäftsführung mit sich

Auch dem Kläger zu 2) stehe kein Löschungsanspruch zu, so das Gericht weiter. Die vorzunehmende Interessenabwägung falle auch zugunsten der Beklagten aus. Zwar sei zugunsten des Klägers zu 2) zu berücksichtigen, dass es sich bei ihm um eine natürliche Person handelt. Bei den Pflichtveröffentlichungen könne über die Suchmaske nicht gezielt nach natürlichen Personen gesucht werden. Jedoch seien auch in den Pflichtveröffentlichungen Informationen zu natürlichen Personen (Gesellschafter, Vertretungsberechtigte, Prokuristen) enthalten. Bereits aus diesem Grund erscheine ein Verzicht auf die Angabe des Klägers zu 2) als Geschäftsführer über die Plattform der Beklagten nicht geboten. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte nur den Namen und den Wohnort des Klägers als personenbezogene Daten verarbeitet. Weitere Daten des Klägers werden hingegen nicht verarbeitet. So habe die Beklagte die Finanzdaten und das Geburtsdatum des Klägers gesperrt, obwohl diese in den öffentlichen Registern zu finden seien.

Keine finale Entscheidung
Ob dieses Urteil bestätigt oder wieder aufgehoben wird, bleibt abzuwarten. Vor dem Oberlandesgericht Hamburg ist ein Nachfolgeverfahren anhängig.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 11.12.2020, Az. 324 O 30/20